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peter waterhouse: überschrift?

 

Wer Auskunft sucht über das Wort über und es nachschlägt im 23. Band des Deutschen Wörterbuchs von Jacob und Wilhelm Grimm, findet vor allem Vielseitigkeit. Das Wörterbuch beschreibt das Wort über, in seiner Bedeutung als Raumadverb, als Präposition und als Teil vieler Komposita, auf 624 Seiten, eng bedruckten Seiten, mit kleiner Schrift. In einem neueren Taschenbuch reichte das für etwa 1000 Seiten über das Wort über. Es zeigt sich, daß das Wort über besonders vielgestaltig ist, verwandelbar, vielleicht metamorph.

Was sind Verwandlungen und Metamorphosen? Ovid spricht von ihnen in der Mehrzahl: Metamorphoses. Goethe spricht von ihnen in der Einzahl, unter anderem in der 1790 veröffentlichten Schrift Versuch die Metamorphose der Pflanzen zu erklären. Sind die Metamorphosen vielleicht etwas anderes als die Metamorphose? Im allerersten Vers des Epos beschreibt oder übersetzt Ovid die Metamorphosen als Veränderungen: "In nova fert animus mutatas dicere formas / corpora". Mutare, fortbringen, entfernen, wechseln, ändern, verändern, verwandeln. Mutare iter, einen anderen Weg einschlagen. Wird in Ovids Mehrzahl etwas zum Ausdruck gebracht, das sich nicht gleich bleibt, das den vorigen und originalen Zustand verläßt und die Verbindung zu ihm aufgibt, die Kontinuität und Identität verliert? Braucht Ovids Epos keine Kontinuität und hat seine Erzählung wenig Kohäsion? "'Ich werde meiner Königin ins Meer folgen.' Doch als sie springen wollte, konnte sie sich nirgendwohin bewegen und haftete wie angenagelt am Felsen. Eine zweite wollte sich gerade trauernd an die Brust schlagen, wie sie es gewohnt war; da spürte sie, daß ihre Oberarme sich hart anfühlten. Eine dritte hatte gerade die Hände zu den Meereswogen gestreckt – da hält sie, zu Stein geworden, die Hände nach wie vor auf die Wogen gerichtet. Diese hier griff sich gerade am Scheitel ins Haar; im Haar erstarrten ihr plötzlich die Finger – man hätte es sehen können. Jede verharrte in der Haltung, in der sie überrascht wurde. Einige von ihnen wurden zu Vögeln; sie streifen auch heute noch jene Meeresfläche mit den Flügelspitzen, die Mädchen von Ismenus." (Prosaübersetzung von M. v. Albrecht) Diese Phönizierinnen sind also verwandelt in Stein und in Vögel. Ihr erster Zustand und ihr Leben davor ist beendet. Die Verwandlung ist eine Veränderung. Eine Ungleichung.